Stiftung Niedersächsische Wirtschaftsforschung

Feurige Diskussion: Dr. Volker Schmidt (v.l.), Prof. Dr. Lars Feld und Sigmar Gabriel am virtuellen Kaminfeuer.

Foto: Axel Herzig

Denkanstöße mit Feuer: Welche Zukunft erwartet den Wirtschaftsstandort Deutschland?

Beim ersten „Kamingespräch“ der Stiftung Niedersächsische Wirtschaftsforschung (SNIW) diskutierten Bundesminister a.D. Sigmar Gabriel, Ökonomieprofessor Lars Feld und Dr. Volker Schmidt, Hauptgeschäftsführer von NiedersachsenMetall und Kuratoriumsvorsitzender der Stiftung, mit mehr als 100 hochrangigen Gästen aus Politik, Wirtschaft und Forschung im Schloss Herrenhausen darüber, wie die Bundesrepublik ihre Führungsrolle auf den Weltmärkten noch behaupten kann.

Bisher war auf die wirtschaftliche Stärke Deutschlands immer Verlass. Europas Wirtschaftsmotor brummte selbst dann, wenn am globalen Konjunkturhimmel einmal dunkle Wolken aufzogen. Diese Stärke wurde zur Gewissheit: Stets zeigten sich in Umfragen gut zwei Drittel der Bevölkerung davon überzeugt, dass die Bundesrepublik auch in zehn Jahren noch zu den führenden Wirtschaftsnationen der Welt gehören würde. Nach vier Jahren Krisenmodus hat sich diese Überzeugung allerdings grundlegend verändert. Nicht einmal ein Drittel glaubt noch daran, dass Deutschland seine Führungsrolle auf den Weltmärkten langfristig behaupten kann.

„Ist hier bald Feierabend?“ – lautete denn auch der provokante Titel der Stiftung Niedersächsische Wirtschaftsforschung (SNIW), um beim ersten „Kamingespräch“ über die Zukunft des Wirtschaftsstandortes Deutschland zu diskutieren. Das brisante Thema stößt auf großes Interesse, rund 100 hochrangige Gäste aus Politik, Wirtschaft und Forschung sind der Einladung ins Schloss Herrenhausen in Hannover gefolgt und haben das Gespräch zwischen Bundeswirtschaftsminister a.D. und ehemaligen Vizekanzler Sigmar Gabriel, dem früheren Vorsitzenden der „Wirtschaftsweisen“ und jetzigen Berater des Bundesfinanzministers, Prof. Lars Feld sowie dem Vorsitzenden des Kuratoriums der SNIW, Dr. Volker Schmidt, verfolgt.

Edle Atmosphäre: Dr. Volker Schmidt, Vorsitzender des Kuratoriums der Stiftung Niedersächsische Wirtschaftsforschung, begrüßt die Gäste im Schloss Herrenhausen.

Foto: Axel Herzig

Müssen wieder die Ärmel hochkrempeln

Gabriel, früherer Bundeswirtschafts- und Außenminister gab den Gästen zunächst einen Abriss über die macht- und sicherheitspolitische Situation der Welt, bevor er auf die Bedeutung Europas und Deutschlands als führende, ökonomische Zentren zu sprechen kam. „Wir sind Zeitzeugen einer tektonischen Verschiebung der Machtachsen vom Atlantik zum Indopazifik“, sagte Gabriel. „Und trotz aller geopolitischen Reden ist es Europa bis heute nicht gelungen, eine ernstzunehmende Rolle in der Weltpolitik einzunehmen.“ Seiner Ansicht nach hat Europa nur eine Chance, auf der Weltbühne auch in Zukunft vorn mitzuspielen: als Zentrum wirtschaftlicher Stärke. „Der europäische Binnenmarkt ist immer noch der größte Markt der Welt und wir sind Meister darin, uns immer wieder neu zu erfinden.“ Dazu sei es jedoch einen nötig, ein Bewusstsein dafür zu entwickeln, dass die Bundesrepublik nicht auf einer Insel der Glückseligkeit liege. „Wir müssen wieder die Ärmel hochkrempeln und uns stärker anstrengen als in den vergangenen Jahren.“ Darin liegt laut Gabriel auch etwas Mutmachendes: „Ein Blick in die Geschichte unseres Landes zeigt, dass es uns in der Vergangenheit schon so oft gelungen ist, uns in ausweglos scheinenden Krisen völlig neu zu erfinden. Darin liegt unsere Stärke, in Europa und in der Welt.“

Momentan jedoch stehen die Zeichen eher auf Stillstand denn auf Aufbruch. Ökonomieprofessor Feld zeigt anhand aktueller Zahlen, dass Deutschlands Wirtschaft auch 2024 in seiner Position der Stagflation verharren wird. „Was wir aktuell erleben, ist keine schwere Krise wie die Coronapandemie oder die Finanzkrise, bei der das Wirtschaftswachstum um vier bis fünf Prozent absackt. Aber wir befinden uns in einem unangenehmen Umfeld, das alle Beteiligten von Konsumenten bis Investoren verunsichert.“

Sigmar Gabriel

Prof. Dr. Lars Feld

Hochrangig besetzt: Als Impulsgeber waren der ehemalige Vizekanzler und Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel und der frühere Wirtschaftsweise Prof. Dr. Lars Feld dabei.

Foto: Axel Herzig

Krise ist im Wesentlichen hausgemacht

Diese Einschätzung teilt Hauptgeschäftsführer Schmidt. Er kennt die Auswirkungen der Krisen, in denen sich die allermeisten deutschen Betriebe aktuell befinden, aus zahlreichen Gesprächen mit Mitgliedsfirmen. Schmidt kritisiert, dass neben den äußeren Einflüssen wie Energiepreise und Lieferengpässen die Politik seit Jahren massiv dazu beitrage, die Unsicherheit in der Wirtschaft zu schüren. „Die deutsche Volkswirtschaft befindet sich in einer schweren Krise, und die ist im Wesentlichen hausgemacht“, konstatiert er. „Das Vertrauen in die Zukunft des Wirtschaftsstandortes Deutschland erodiert, das Vertrauen in die Leistungsfähigkeit der deutschen Volkswirtschaft erodiert, das Vertrauen in die Handlungsfähigkeit des Staates ist dahin.“ Das liege vor allem daran, dass die aktuelle Bundesregierung Ziel um Ziel ausgebe, jedoch Antworten schuldig bleibe, wie diese Ziele realistisch erreicht werden können. Als Beispiel nennt er unter anderem die Wärmewende, die Energiewende und die Verkehrswende. „Wir sind weltmeisterlich im Setzen von Zielen. Nur: Ziele zu setzen, bedeutet noch lange nicht, der Lösung des Ziels auch nur einen Schritt nähergekommen zu sein.“


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Heiße Diskussionen: Die Kaminrunde im Schloss Herrenhausen

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