Verlorenes Vertrauen
Die Umfragewerte der Bundesregierung sind miserabel, der Ausblick in die Zukunft für die meisten Niedersachsen auch. Eine Allensbach-Erhebung zeichnet ein besorgniserregendes Bild der Stimmung im Land.
In Krisenzeiten wird gespart: Dieser Grundsatz ist aktuell nicht nur in der Investitionszurückhaltung der Wirtschaft erkennbar, sondern auch an der Konsumlaune der Verbraucher. Das Weihnachtsgeschäft des Jahres 2023 entpuppte sich für den Einzelhandel als so schlecht wie seit Jahrzehnten nicht. Obwohl die Reallöhne im vierten Quartal sogar um einen Prozentpunkt gestiegen sind, brachen die realen Einzelhandelsumsätze im gesamten Jahr 2023 um -3 Prozent ein. „Die aktuelle Wirtschaftslage und nahezu alle Prognosen für unser Land sind von einem nie gekannten Pessimismus, ja schon fast von Defätismus geprägt“, sagt Dr. Volker Schmidt, Hauptgeschäftsführer von NiedersachsenMetall. „So ein Stimmungsbild hat es zuletzt vor 40 Jahren gegeben, in der Endphase der sozialliberalen Koalition.“
Allerdings sind es nicht allein die Auswirkungen globaler Konflikte wie die Kriege in der Ukraine und im Gaza-Streifen, die das Vertrauen in die Zukunft und den Wirtschaftsstandort erschüttern. Aus Sicht von Schmidt ist die Krise in erster Linie hausgemacht: „Durch eine Regierungspolitik, die stärker auf Gesinnung und Selbstvergewisserung setzt, anstatt auf Realitätssinn.“ Und auf einen Politikstil, der kaum berechenbar ist. Sei es die abrupt gestoppte E-Mobilitätsprämie, die viel kritisierte Gaspreisbremse oder das umstrittene Heizungsgesetz: „Kaum ist eine Gesetzesinitiative präsentiert, wird sie zerredet, geändert oder gleich ganz abgeräumt. Die Folge: Die Wirtschaft und auch weite Teile der Bevölkerung haben das Vertrauen in diese Bundesregierung verloren.“ Die davon ausgehende Verunsicherung hat unmittelbare Konsequenzen für die Realwirtschaft, für das Konsumverhalten und für die Investitionsbereitschaft.
Ausgeprägter Zukunftspessimismus
Frage: »Zurzeit steht Deutschland ja vor vielen Problemen und Herausforderungen. Aber wenn Sie einmal an die nächsten zehn Jahre denken: Sind Sie da eher optimistisch oder eher pessimistisch, dass Deutschland eine gute Zukunft haben wird?«
Energie- und Klimapolitik besorgen die Bürger
Eine Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach im Auftrag der Drei-Quellen-Mediengruppe macht dies deutlich: Fast 80 Prozent der Niedersachsen sind unzufrieden mit der Arbeit der Bundesregierung, drei Viertel von ihnen (74 Prozent) machen ihre Kritik fest am Gebäudeenergiegesetz („Heizungsgesetz“) und den damit verbundenen Kosten, die auf sie zukommen. Neben der Flüchtlingspolitik besorgt die Niedersachsen kein Thema mehr als die Energie- und Klimapolitik der Bundesregierung. Und das, obwohl das Heizungsgesetz zuletzt weitgehend aus der Berichterstattung verschwunden ist. In den Köpfen der Menschen scheint es dagegen nach wie vor sehr präsent zu sein. Dafür spricht einerseits die massiv gestiegene Nachfrage nach Öl- und Gasheizungen und andererseits die spürbare Zurückhaltung beim Einbau von klimafreundlichen Heiztechnologien wie Wärmepumpen.
62 Prozent der Niedersachsen sehen durch die politischen Vorgaben zum Heizen und zur Energieeffizienz erhebliche Kosten auf sich zukommen, 68 Prozent von ihnen – das entspricht 42 Prozent der Niedersachsen insgesamt – sehen sich dadurch sogar finanziell überfordert. Damit hat die negative Einstellung der Bevölkerung gegenüber dem Heizungsgesetz, verglichen mit der letzten Umfrage im Sommer 2023, als das Thema die Schlagzeilen dominierte, nur leicht abgenommen. Dazu Dr. Volker Schmidt: „Wenn mehr als sechs von zehn Niedersachsen erhebliche Kostensteigerungen auf sich zukommen sehen und über 40 Prozent der Bevölkerung befürchten, das Heizungsgesetz würde sie finanziell überfordern, hat dies natürlich Einfluss auch auf die Konsumneigung der Menschen. Wer so in Sorge vor der Zukunft lebt, hält sein Geld zusammen. Das Heizungsgesetz ist damit ein Erklärungsgrund für die außergewöhnliche Konsumschwäche, die wir gegenwärtig beobachten – trotz steigender Reallöhne und eines stabilen Arbeitsmarktes.“
Zukunftspessimismus verschärft das Gefühl von Planungsunsicherheit
Frage: »Neulich sagte jemand ›Ich habe das Gefühl, dass es immer schwieriger wird, die eigene Zukunft zu planen.‹ Geht Ihnen das auch so, oder geht es Ihnen nicht so?«
Bei der E-Mobilität sind die Auswirkungen der im Herbst faktisch über Nacht vom Bundeswirtschaftsministerium gestrichenen Kaufprämie noch gravierender. Autos mit Elektroantrieb entwickelten sich im Handumdrehen zu Ladenhütern, nachdem die Zulassungszahlen in den Monaten davor bereits rückläufig waren. Bei den Autoherstellern werden wieder mehr Verbrenner gebaut, es wird auch wieder verstärkt in deren Weiterentwicklung investiert. Die fehlende Marktakzeptanz von E-Autos, nicht nur in Deutschland, sondern EU-weit, führt aktuell zu massiven Überkapazitäten bei den Zulieferern, die verstärkt in die Elektrifizierung des Antriebsstrangs investiert haben – und damit exakt das umgesetzt haben, was von der Politik in Brüssel und Berlin eingefordert wurde. Daraus resultiert eine enorme Fixkostenproblematik, die das Geschäft der Autozulieferer momentan enorm belastet und an die Kunden nur schwer weitergegeben werden kann.
Eines scheint sich immer deutlicher abzuzeichnen: Das EU-weite Verbrenner-Verbot ab 2035 steht zur Disposition. Und die Stimmen in Politik und Wirtschaft werden lauter, die die Dekarbonisierung des Verkehrs nicht ausschließlich mit der Elektromobilität als einziger Antriebstechnologie angehen wollen, sondern im Einklang mit allen bedeutenden Weltautomobilmärkten fortan auf Technologieoffenheit setzen, also zum Beispiel synthetische Kraftstoffe und Brennstoffzellentechnologie ebenfalls als CO₂-freie Antriebsformen einbeziehen. „Nicht der Verbrennungsmotor ist das Problem, das Problem sind die fossilen Kraftstoffe. 100 Prozent EFuels wären die Lösung dafür“, sagt Schmidt. Allein ihre Beimischung in herkömmliche Kraftstoffe würde bereits den CO₂-Ausstoß des Fahrzeugbestandes von heute auf morgen deutlich senken.
Große Unzufriedenheit mit der Bundesregierung
Frage: »Wie zufrieden sind Sie alles in allem mit der Arbeit der Bundesregierung? Würden Sie sagen ...«
Zukunftspessimismus bietet Nährboden
für politische Extreme
58 Prozent der niedersächsischen Bevölkerung haben den Eindruck, dass es immer schwieriger wird, die eigene Zukunft zu planen. Bei denjenigen, die nicht daran glauben, dass Deutschland in den kommenden zehn Jahren eine gute Zukunft bevorsteht, ist dieses Gefühl mit 76 Prozent noch weitaus stärker verbreitet. Schmidt: „Diese Entwicklung ist insoweit gefährlich, als aus Planungsunsicherheit Zukunftspessimismus erwächst und umgekehrt. Angesichts der multiplen Herausforderungen, denen unser Land gegenübersteht, gibt dies den idealen Nährboden für eine Stärkung der politischen Ränder und für wachsende Skepsis gegenüber der Problemlösungsfähigkeit der parlamentarischen Demokratie als Staatsform.“
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Gründe für die Unzufriedenheit
Frage: »Und womit sind Sie derzeit vor allem nicht zufrieden, was stört Sie an der Bundesregierung?«