Composing: Holger Kölling (gettyimages: Panuwat Sikham, Rudzhan Nagiev)
Chipkrise bedroht
Zehntausende Jobs in
der Zuliefer-Industrie
Fehlende Halbleiter und Chips bringen Niedersachsens Zulieferer immer stärker in Bedrängnis. Die Wirtschaftspolitik muss nun reagieren, um Tausende Jobs zu retten.
Der Mangel an Halbleitern und Chips hat die deutsche Wirtschaft nach wie vor fest im Griff. Besonders hart trifft es die Autoindustrie, die nicht nur im Vergleich mit anderen Branchen, sondern auch mit anderen Ländern stark unter der Knappheit leidet. Eine jüngste Studie des Center Automotive Research (CAR) ergab, dass 2021 insgesamt nur rund 2,85 Millionen Pkw in Deutschland gebaut wurden – so wenige wie zuletzt 1974. Das habe neben der Coronakrise auch an temporären Produktionsausfällen infolge fehlender Halbleiter gelegen. Andere Standorte wie die USA, China oder Südkorea seien bisher deutlich besser durch die Krise gekommen.
Auch die niedersächsischen Autozulieferer sind von dem Mangel an Halbleitern und Chips als vorwiegend an die inländische Fahrzeugproduktion ausgerichtete Branche stark betroffen. Aufgrund der Rückmeldungen aus den Betrieben geht NiedersachsenMetall davon aus, dass bis zu 20.000 Arbeitsplätze in der niedersächsischen Zuliefer-Industrie bis Mitte des Jahres auf der Kippe stehen.
Die Kernaufgabe der Wirtschaftspolitik 2022 in Bund und Land wird es sein, eine leistungsfähige Zulieferindustrie am Leben zu halten.
Dr. Volker Schmidt, Hauptgeschäftsführer NiedersachsenMetall
Über 60 Prozent aller Industriejobs in Niedersachsen hängen an der Automobilindustrie. „Einem Stellenabbau von 15.000 bis 20.000 Stellen kann man nicht tatenlos zusehen, das gilt es zu verhindern“, sagt Dr. Volker Schmidt, Hauptgeschäftsführer von NiedersachsenMetall. Sollte die Chipkrise weiter anhalten, müsse man sogar mit 30.000 Jobs bis Jahresende rechnen. Wann die Talsohle durchschritten sein wird, darüber sind sich Forscher und Branchenvertreter uneins. Während die einen auf eine Entspannung ab dem zweiten Halbjahr setzen, erwarten andere eine spürbare Verbesserung erst ab 2023.
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Für viele Zulieferer könnte das aber zu spät kommen. Denn zahlreiche Firmen sind durch die Folgen der Pandemie und der Verunsicherung der Käufer infolge der politisch gewollten Abschaffung des Verbrenners in einer finanziellen Schieflage. Dazu kommen weiter steigende Preise für Energie und eigene Vormaterialien und Rohstoffe. „Da wächst ein großes Problem heran“, prognostiziert Schmidt.
Mit Blick auf die Wirtschaftspolitik in Bund und Land mahnt er daher: „Die Kernaufgabe für 2022 wird sein, eine leistungsfähige Zulieferindustrie am Leben zu halten.“ Deshalb sei jetzt ein Höchstmaß an Pragmatismus gefordert. Schmidt lobte, dass die Regierung die Kurzarbeitergeld-Regelung noch einmal bis Ende Juni verlängert hat. Allerdings müsse man mit Blick auf eine eventuelle Entspannung der Chipkrise ab der zweiten Jahreshälfte darüber reden, die Kurzarbeitergeld-Regelung noch weiter aufrecht zu erhalten. „Das könnte eine Vielzahl von Jobs vor allem im Automotive-Bereich sichern“, sagt Schmidt.
[ISABEL CHRISTIAN]