Photonen statt Pflanzenschutzmittel
Über den Einsatz von chemischen Unkrautvernichtungsmitteln in der Landwirtschaft gibt es immer wieder Streit. Eine neue Entwicklung des Laser Zentrums Hannover e.V.
könnte den Konflikt nun endgültig beilegen und die
Feldarbeit weiter digitalisieren.
Wie ein Superwerkzeug der Zukunft sieht der kleine Roboter aus dem Laser Zentrum Hannover e.V. (LZH) nicht gerade aus – eher wie eine Klimaanlage auf Rädern. Doch wenn der Laser-Unkraut-Felddemonstrator übers Gemüsebeet rollt, möchte man kein Unkraut sein. Treffsicher erkennt die Maschine unerwünschte Pflanzen. Die Zielerkennung kann das Unkraut innerhalb von Millisekunden in laufender Fahrt anvisieren, ein Laser erledigt den Rest. Noch befindet sich das Projekt im Versuchsstadium, doch die Markteinführung rückt näher.
Die biologische Vielfalt ist im Rückgang begriffen und der chemische Pflanzenschutz wird als einer der Gründe dafür verantwortlich gemacht. Laut dem Umweltbundesamt führt der Einsatz von hochwirksamen Breitband-Pestiziden „zwangsläufig auch dazu, dass die Ackerbegleitflora verarmt und vielen Vogel-, Säugetier- und anderen Tierarten der Agrarlandschaft die Nahrungsgrundlage entzogen wird“. Außerdem entwickeln immer mehr Schädlinge gegen Pflanzengifte eine Resistenz oder Immunität. „Da muss man doch was machen können!“, haben sich Wissenschaftler aus Hannover gedacht und eine umweltschonendere Methode der Unkrautbekämpfung entwickelt.
Der „Unkraut-Terminator“ funktioniert so, wie man das aus dem Fernsehen kennt. Mithilfe von Bilddaten sucht eine künstliche Intelligenz nach möglichen Zielen. Sobald die Software ein Objekt als Schädling identifiziert hat, wird ein Laserstrahl mit einer Energie von rund 20 Joule abgefeuert – das ist etwa der Level eines Haarentfernungslasers. Der Treffer bringt die Pflanze aber nicht etwa zur Explosion, sondern hat eine eher unspektakuläre Wirkung. „Der Effekt ist ein thermischer. Das heißt, dass die Laserenergie in der Pflanze absorbiert wird, sodass die Struktur einfach aufplatzt“, sagt LZH-Wissenschaftlerin Merve Wollweber und erläutert: „Wir schießen nur auf das Wuchszentrum. Wenn wir die Zellen treffen, die sich gerade in Zellteilung befinden, dann geht die ganze Pflanze ein.“
MITTEN INS WUCHSZENTRUM DER PFLANZEN
Wollweber und ihr Forschungsteam „Food and Farming“ wollen den Laser so energiesparend wie möglich einsetzen. „Das ist einfach eine Frage der Effizienz.“ Wuchszentrum oder Stängel seien auch deswegen ein gutes Ziel, weil selbst bei einem Streifschuss das Unkraut im Wachstum zurückgeworfen wird. Die Nutzpflanzen haben dann einen entscheidenden Vorsprung im Ringen um Licht, Wasser und Nährstoffe. Nachteile der Methode: Je mehr Pflanzen bestrahlt werden müssen, umso langsamer kommt die Maschine voran. Zudem sagt Wollweber: „Bei Gräsern funktioniert der Beschuss von oben nicht so gut. Da versuchen wir, von der Seite den Stängel abzuschießen.“
Fotos (3): LZH
MARKTREIFE RÜCKT NÄHER
Den ersten Feldversuch führten die LZH-Forscher im Herbst 2020 durch. Das von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) finanzierte Projekte „Nubela“ war quasi der Durchbruch. „Davor musste man sich bemühen, um die Fördermittelgeber zu überzeugen, dass das keine Spinnerei ist“, erinnert sich Wollweber. Inzwischen ist ihr Forschungsteam in verschiedene Forschungsprojekte eingebunden. Eines davon ist das von der EU geförderte Projekt „WeLaser“, an der unter anderem auch die Universitäten Kopenhagen und Bologna oder das Zentrum für Automation und Robotik (CAR CSIC) in Madrid beteiligt sind. Ziel ist es, bis 2023 den Prototyp eines Unkraut-Lasers zu entwickeln, der auf einem autonomen Fahrzeug installiert werden kann. Anschließend soll dieser Prototyp für die kommerzielle Markteinführung weiterentwickelt werden. Bis 2030 könnte die Maschine vielleicht schon in Serienproduktion gegen. Bei WeLaser geht es insbesondere um den Schutz von Mais, Zuckerrüben und Wintergetreide. Im Forschungsprojekt „Luruu“ (Lasereinsatz zur Unkrautregulierung bei resistenten Ungräsern und Unkräutern) nehmen die LZH-Forscher zusammen mit der Landwirtschaftskammer Niedersachsen wiederum gezielt Windhalm und Ackerfuchsschwanz ins Visier. Das Ungras ist multiresistent gegen viele Herbizide und kann nur mit großem Aufwand bekämpft werden. „Seit einigen Jahren steigt der Befallsdruck mit diesen Gräsern. Und wenn man resistenten Ackerfuchsschwanz hat, kann man im schlimmsten Fall das gesamte Feld über Jahre hinweg nicht mehr für den Getreideanbau nutzen“, berichtet Wollweber.
LANDWIRTE SEHR INTERESSIERT
Bei den Landwirten ist das Interesse an der neuen Technik riesig, tatsächlich haben sogar sie auf das Projekt gedrängt. „Da haben wir uns ein bisschen überreden lassen“, gibt die Forschungsgruppenleiterin zu. Die Zusammenarbeit mit den Agronomen sei für die Wissenschaftler besonders fruchtbar. „Die Landwirte sind absolut offen für alle Lösungswege und arbeiten konstruktiv mit. Die sagen: ‚Ich pflanze das so, wie ihr das braucht. Notfalls lege ich auch was still‘“, berichtet Wollweber. Die promovierte Biophysikerin und habilitierte Physikerin hat die Erfahrung gemacht: „Im Labor ist es eine Sache, auf dem Feld nochmal was ganz anderes.“ Den grundsätzlich kabelgebundenen Laser für den Außeneinsatz tauglich zu machen, sei eine Herausforderung mit vielen Facetten.
Eine wesentliche Rolle spielt dabei die Reduzierung von Gewicht und Energiebedarf. „Die Kühlung allein kann 100 Kilogramm pro Laser wiegen“, sagt Wollweber und schätzt das Gesamtgewicht des ersten Demonstrationsgeräts auf etwa 200 Kilo. An die Bestückung einer Drohne ist da erstmal nicht zu denken. Der Unkraut-Laser könnte jedoch in eine Landmaschine eingebaut werden oder autonom übers Feld rollen.
„Die Unkrautbeseitigung ist das Thema, das derzeit am meisten boomt. Aber wir schauen uns den Einsatz von Lasertechnologie im gesamten Agrar- und Food-Sektor an“, sagt Wollweber. Zu ihrer zehnköpfigen Forschungsgruppe gehören Maschinenbauer, Physiker, Nanotechnologen, Agrarwissenschaftler und Informatiker. Sie beschäftigen sich zum Beispiel auch mit 3D-Lasermesstechnik, der Beseitigung von mikrobiellen Verunreinigungen oder der Kennzeichnung von Lebensmitteln.
[CHRISTIAN WILHELM LINK]
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Das Laser Zentrum Hannover e.V. ist noch weitaus vielfältiger aufgestellt. Das 1986 gegründete Institut hat fünf Fachabteilungen mit insgesamt 18 Forschungsgruppen. Den etwa 200 Mitarbeitern zuzüglich Studierenden stehen im Wissenschaftspark ein 10.000 Quadratmeter großes Forschungszentrum mit 28 Laboren, Reinraum und Versuchsfeld zur Verfügung. Dort forschen die Experten interdisziplinär an innovativen Einsatzmöglichkeiten der Lasertechnologie wie etwa für Medizin, Optik, Weltraumtechnik oder Produktionsfertigung.
Das LZH ist aber nicht nur eine reine Forschungseinrichtung, sondern arbeitet auch ganz praktisch mit den Unternehmen in Niedersachsen zusammen. Ein Renner ist derzeit insbesondere das Projekt „Niedersachsen Additiv“, das kleinere und mittlere Unternehmen beim Einstieg in den 3D-Druck unterstützt.