FACHKRÄFTEnachwuchs

Von Technik und dem Fliegen begeistert: Insa Thiele-Eich, die erste deutsche Astronauten-Anwärterin, testet den Flugsimulator von Airbus.

Foto: Martin Bargiel

So tickt die Generation Zuversicht

Umfrage: 15- bis 25-Jährige können sichfür Technik-Berufe begeistern

Stefan Schulze hat eine Mission: Die Berufsorien­tierung liegt dem 46-jährigen Lehrer am Tilmann­Riemenschneider-Gymnasium (TRG) in Osterode am ­Herzen. Seit 2009 fährt er mit seinen Klassen zur Ideen­Expo in Hannover – der großen Technikshow, die über MINT-Berufe informiert. Seinen Schülern, der Generation Z, steht die Welt offen. Doch Freiheit kann auch eine Bürde sein.


„Nachwuchssuche ist selbst für renommierte Unternehmen eine immer größere Herausforderung“

Dr. Volker Schmidt,
Hauptgeschäftsführer NiedersachsenMetall

NiedersachsenMetall wollte mehr über die Generation Z wissen. Warum entscheiden sich junge Menschen so häufig für ein Studium und gegen eine Ausbildung? Wer hat den größten Einfluss auf ihre Berufswahl? Und was wünschen sie sich von ihren künftigen Arbeitgebern? Die Antworten auf Fragen wie diese zu kennen, wird für Unternehmen im sich zuspitzenden Fachkräfte­mangel immer wichtiger. Vor allem bei Unternehmen in den naturwissenschaftlichen und technischen Branchen wirkt der Fachkräftemangel immer häufiger wie ein Bremsklotz.

Ja zu Naturwissenschaften und Technik

Antworten der 15- bis 25-Jährigen (in Prozent*)

Quelle: Allensbach-Umfrage, Stand: Juni 2022, *Mehrfachnennungen möglich

Was will die Generation Z?

Das Institut für Demoskopie Allensbach (IfD) hat für die Metallarbeitgeber daher Tausende junge Erwachsene zwischen 15 und 25 Jahren zu ihren Zukunftserwartungen, ihren beruflichen sowie persönlichen Prioritäten und ihrer Einstellung zu MINT-Fächern und -Berufen interviewt. Die Ergebnisse haben Dr. Volker Schmidt, Hauptgeschäftsführer von NiedersachsenMetall, und Professor Dr. Renate Köcher, Geschäftsführerin des IfD Allensbach, gemeinsam mit Prof. Dr. Michael Hüther, Geschäftsführer des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) und Dr. Bernd Althusmann, ehemaliger Niedersächsischer Minister für Wirtschaft, Arbeit, Digitalisierung und Verkehr, beim Fachkräftekongress auf der IdeenExpo vorgestellt.

60 Prozent der Befragten schätzen die beruflichen Zukunftsaussichten ihrer Generation als gut ein, 19 Prozent als sehr gut. „Der Fachkräftemangel verschärft sich mitten in der Krise, und dieser Umstand stärkt natürlich die Verhandlungsposition der gut ausgebildeten Nachwuchskräfte“, sagte Renate Köcher, Chefin von Allensbach, bei der Präsentation der Umfrage in Hannover.

„Lehrer sind für junge Menschen eine zentrale Figur bei der Berufswahl.“

Prof. Michael Hüther,
Institut der deutschen Wirtschaft (IW)

Recruiting wird zur echten Herausforderung

Dabei zeige sich auch, dass die jungen Menschen der sogenannten „Generation Z“ mit durchaus hohen Erwartungen ins Berufsleben gehen. Die jungen Menschen erwarten vom Berufsleben, dass ihnen die Arbeit Spaß macht, ihren Neigungen entspricht und sinnvoll ist. „Das Wissen darum, dass sie so begehrt ist, macht die Nachwuchsrekrutierung in dieser Generation selbst für renommierteste Unternehmen mittlerweile zu einer echten Herausforderung“, sagte Dr. Volker Schmidt, Hauptgeschäftsführer von NiedersachsenMetall.

Erfreulich: Die Mehrheit hält Naturwissenschaften und Technik für sehr wichtig und sagt, dass Kenntnisse in Naturwissenschaften es ermöglichen, Zusammenhänge besser zu begreifen. Nur eine Minderheit von 25 Prozent sagt, das Thema interessiere sie einfach gar nicht. Köcher: „Das beweist, dass wir entgegen der landläufigen Meinung keine technologiefeindliche Gesell­schaft sind, schon gar nicht bei den Jüngeren.“

In Ingenieurberufen hat sich die Zahl der Frauen kaum erhöht

Doch aus Sicht von Schmidt liegt in diesem Vorurteil eine enorme Gefahr: „Wenn traditionelle Vorbehalte gegenüber MINT in der Gesellschaft weiter kultiviert werden, wenn das Interesse an Technik bei vielen Jugendlichen dann endet, wenn die Anwendungsebene des iPads verlassen und die Ebene der Programmierung betreten wird, und wenn Berufe, in denen immer wieder Neues entwickelt und entdeckt wird, nur eine Minderheit interessieren, dann läuft in unserer Gesellschaft einiges schief.“ Dass die große Mehrheit der jungen Generation Technik und Naturwissenschaften spannend und für die Zukunft als wichtig ansieht, beweise die IdeenExpo. „Aber der Link zwischen ,Finde ich extrem wichtig und interessiert mich‘ einerseits und ,Hier möchte ich beruflich Fuß fassen‘ andererseits ist nach unseren Beobachtungen in Deutschland, dem Land der Tüftler und Ingenieure, noch nicht hinreichend ausgeprägt.“

Mission Berufsorientierung: Lehrer Stefan Schulze (unten, 2. v.l.) besucht mit seinen Klassen schon seit 2009 die IdeenExpo, weil sie optimal über MINT-Berufe informiert.

Foto: IdeenExpo

Expertenrunde: Der frühere Wirtschafts­minister Dr. Bernd Althusmann , Allensbach-Chefin Prof. Dr. Renate Köcher, IW-Direktor Prof. Dr. Michael Hüther, NiedersachsenMetall Hauptgeschäftsführer Dr. Volker Schmidt und Moderatorin Isabel Christian (v.l.).

Foto: Lorena Kirste

Technik als Mittel, um Herausforderungen zu lösen

Auch Köcher ist überzeugt: „Wir bleiben unter unseren Möglichkeiten, aus dieser positiven Grundhaltung gegenüber Technik und Naturwissenschaften auch etwas zu machen.“ Dennoch: „Technik und Natur­wissenschaften stehen in enger Konkurrenz zu vielen anderen Berufsfeldern.“ So könnten sich etwa 34 Prozent der Befragten einen Beruf in einem sozialen Bereich vorstellen, dahinter folgen mit einigem Abstand Berufe in IT, Computertechnik und Informatik (22 Prozent).

Nach der Einschätzung der gesellschaftlichen Relevanz gefragt, rangiert der Informatik-Bereich hinter den sozialen Berufen und Berufen im Bereich Umwelt- und Klima. „Deshalb ist es ungemein wichtig, dass wir die Verbindungen herausstellen zwischen den einzelnen Bereichen, zum Beispiel zwischen Naturwissenschaften und Klimaschutz. Technik als Mittel, um Herausforderungen zu lösen“, rät Köcher. Die IdeenExpo zeige, wie man MINT anschaulich und begreifbar darstellen kann, sodass die vielen Anwendungsbeispiele in anderen Berufsfeldern wie dem Gesundheitswesen oder dem Klimaschutz deutlich würden.

Der technologische Fortschritt ...

Antworten der 15- bis 25-Jährigen (in Prozent*)

Quelle: Allensbach-Umfrage, Stand: Juni 2022

Nicht nur für einsame Nerds

Vor allem junge Frauen entscheiden sich häufig nicht für einen MINT-Beruf: „Die Erwerbstätigkeit von Frauen steigt immer weiter an, doch das kommt vor allem anderen Berufsfeldern zugute“, sagt Köcher. In den Ingenieurberufen hat ihre Zahl sich kaum erhöht. „Frauen erobern sich Schritt für Schritt die Bereiche, in denen man viel mit Menschen zu tun hat“, bilanziert Köcher.

„Will man also die Frauen für Technik begeistern, muss man deutlich machen, dass der IT-Experte kein einsamer Nerd ist, sondern dass er für und mit Menschen arbeitet.“

Professor Michael Hüther vom Institut der deutschen Wirtschaft mahnte, dass den Unternehmen nicht mehr viel Zeit bleibt, sich auf die neuen Anforderungen einzustellen. „Die Fachkräftelücke im MINT-Bereich steigt stark an, und sie wird ein enormes Hindernis bei der Bewältigung der großen Herausforderungen sein, die aktuell vor uns liegen.“ Dem pflichtet auch Dr. Bernd Althusmann bei. „Bereits in drei Jahren wird sich die Zahl der Bevölkerung im Erwerbsalter in Nieder­sachsen um 6 bis 11 Prozent verringern.“

„Technik und Naturwissenschaften stehen in starker Konkurrenz zu anderen Fächern.“

Prof. Renate Köcher,
Allensbach-Institut

Dem entgegen stünden zahlreiche Studien, die zeigten, dass in Zukunft weit mehr MINT-Fachkräfte ausgebildet werden müssen als bisher. „Ich bin überzeugt davon, dass sich für junge Menschen ein Studium oder eine Ausbildung im MINT-Bereich lohnt. Die Bezahlung ist überdurchschnittlich und die Jobsicherheit ist groß.“ Doch viele Jugendliche seien sich der Vielfalt der Berufe nicht bewusst.

Hüther sieht deshalb in den Schulen und vor allem in den Lehrkräften einen wichtigen Partner bei der Gewinnung zukünftiger Fachkräfte für Naturwissenschaften und Technik. „Lehrer sind für junge Menschen eine zentrale Figur bei der Mobilisierung ihrer Interessen.“ Das funktioniere aber nur, wenn die Lehrer einen direkten Einfluss ausüben können. „Online bekommen wir das nicht hin, und deshalb muss Distanzunterricht möglichst verhindert werden.“ Wie Stefan Schulze aus Osterode. 200 Schülerinnen und Schüler hatte er für den Trip zur IdeenExpo begeistern können – und bei ihnen Interesse geweckt!

[WERNER FRICKE / ISABEL CHRISTIAN]

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Weitere Informationen zu diesem Thema erhalten Sie von dem Geschäftsführer der IdeenExpo Olaf Brandes.

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